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03. März 2023

Praktische Probleme nach Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsmeldung (eAU)

Am 01.01.23 löste – deutlich später als ursprünglich geplant - die elektronische Arbeitsunfähigkeitsmeldung (eAU) die herkömmlichen gelben Scheine ab. Warum dies gerade für Arbeitgeber besonders relevant ist und welche Herausforderungen sich im Zusammenhang damit in der Praxis ergeben erfahren Sie hier.

Praktische Probleme nach Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsmeldung (eAU)

I. Was hat sich geändert?

Grundsätzlich ist die voranschreitende Digitalisierung unseres Gesundheitssystems etwas durchaus Begrüßenswertes, nicht zu letzt, da es Arbeitgeber, Arbeitnehmer und vor allem die gesetzlichen Krankenkassen entlasten soll.

Bis Ende 2022 lag es in der Verantwortung des Arbeitnehmers, neben der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer, gegenüber dem Arbeitgeber, spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit, diese von einem Arzt feststellen zu lassen, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse zu schicken und vor allem dem Arbeitgeber vorzulegen. Man sprach diesbezüglich von einer „Nachweispflicht“, obwohl es sich hierbei vielmehr um eine Obliegenheit des Arbeitnehmers handelte. Mittlerweile besagt der § 5 EFZG n.F., dass zwar den Arbeitnehmer immer noch eine Anzeigepflicht trifft (vgl. § 5 I 1 EFZG), aber mittlerweile keine Nachweispflicht (vgl. § 5 Abs. 1a S. 1 EFZG) mehr. Hier muss nämlich nunmehr der Arbeitgeber aktiv werden.

In der Theorie sieht das nun so aus, dass statt der früheren, dreifachen Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die Arztpraxis nur noch ein ärztliches Attest für den Patienten ausstellt und die in § 109 Abs. 1 S. 1 SGB IV bezeichneten Daten der Krankenkasse elektronisch übermittelt. Diese stellt dann eine eAU aus, die der Arbeitgeber dann proaktiv abrufen muss (§ 295 I 1 Nr. 1 SGB V). Das geht aber auch nicht zu jeder Zeit, sondern nur, nachdem der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber angezeigt hat und dieser daraufhin befugt ist, die eAU auch bei der Krankenkasse abzurufen. Keineswegs wird der Arbeitgeber automatisch seitens der Krankenkasse benachrichtigt. Vielmehr ist der auf die Mitteilung des Arbeitnehmers sowie das Datum der Arbeitsunfähigkeit angewiesen.

II. Und wie sieht die Praxis aus?

Das führt in der Praxis gleich zu mehreren Problemen:
Zunächst ist wichtig festzuhalten, dass diese Gesetzesänderung nicht alle Versicherten betrifft, sondern nur gesetzlich Versicherte. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass privat Versicherte weiterhin eine Anzeige- und Nachweispflicht trifft, was das Entgeltfortzahlungsgesetz an dieser Stelle explizit so vorsieht.

Darüber hinaus sind Bescheinigungen betreffend

  • Erkrankungen welche von Ärzten im Ausland festgestellt werden
  • Rehabilitationsleistungen
  • Beschäftigungsverbote
  • Erkrankungen der Kinder und
  • stufenweise Wiedereingliederungen

weiterhin in physischer Form vorzulegen.

Auch treten, trotz der langen Vorlaufzeit, in vielen Arztpraxen noch immer Verbindungsprobleme bei der digitalen Übermittlung auf, oder es werden aus anderen Gründen noch immer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUs) in Papierform ausgestellt, unter anderem auch deshalb, weil einige Arbeitgeber mangels technischer Möglichkeiten zum Beispiel auf die eAUs nicht zugreifen können. Für den Arbeitgeber bedeutet das im Endeffekt ein zweigleisiges Verfahren, welches gewährleistet werden muss.1

Doch was passiert, wenn der Arbeitgeber keine eAU abrufen kann und ihm auch keine in Papierform vorliegt? Grundsätzlich entsteht dann erst einmal der Eindruck, dass der Arbeitnehmer es versäumt hat seine Arbeitsunfähigkeit ordnungsgemäß feststellen zu lassen. Bisher sieht das Gesetz i § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG vor, dass der Arbeitgeber nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet war bzw. ein Zurückbehaltungsrecht hat, bis der Arbeitnehmer seiner Obliegenheit aus § 5 EFZG nachgekommen ist, d. h. die entsprechende Bescheinigung vorlegt.2

Bei der Änderung des § 5 EFZG hat der Gesetzgeber es allerdings versäumt, den Anwendungsbereich des § 7 I EFZG auf die Fälle des geänderten § 5 I a EFZG auszuweiten, so dass ersterer nur analog anzuwenden wäre. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass in Fällen, in denen der Arbeitnehmer es pflichtwidrig unterlassen hat seine Arbeitsunfähigkeit vom Arzt feststellen zu lassen des Arbeitgeber weiterhin ein Zurückbehaltungsrecht i.S.d. § 7 I EFZG zusteht.3 Sollte sich dann herausstellen, dass der Arbeitnehmer seiner Pflicht doch nachgekommen ist und die Störung auf technische Probleme zurückzuführen ist, würde das Zurückbehaltungsrecht dann rückwirkend entfallen.

Momentan lässt sich allerdings keine Pflicht des Arbeitnehmers zur Vorlage einer Bescheinigung in Papierform aus § 5 Ia 1 EFZG ablesen, auch bei Störfällen nicht.

Einige Stimmen argumentieren deswegen für eine Vorlagepflicht bzw. Weiterleitungspflicht der Papierbescheinigung als Nebenpflicht aus § 241 II BGB. Es würde sich dabei um einen Aspekt der Pflicht zur Rücksichtnahme z.B. für mögliche Vertretungsplanung o.ä. handeln.4 Ob diese Rechtsansicht allerdings im Endeffekt vor Gericht überzeugen kann, steht bist jetzt noch nicht fest. Nichtsdestotrotz verlangen derzeit noch viele Arbeitgeber die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung in Papierform, obwohl es hierfür keine klare gesetzliche Grundlage mehr gibt.

Insgesamt lässt sich also festhalten, dass trotz langer Pilotphase – ursprünglich sollte die Regelung schon 2019 in Kraft treten und wurde dann aufgrund technischer Probleme verschoben – die Umsetzung in die Praxis bis jetzt noch holprig erfolgt und sich noch viele Fragen, insbesondere juristischer Natur, auftun. Es bleibt abzuwarten, in wie weit sich das System von selbst einpendelt oder ob im Endeffekt noch eine andere Lösung gefunden werden muss.

III. Warum ist das Ganze v.a. für Arbeitgeber relevant?

Wichtig ist die Beachtung dieser Thematik hinsichtlich bereits bestehender, aber auch für die zukünftige Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht.

Bestehende Verträge können z.T. noch Klauseln enthalten, die zur neuen Rechtslage im Widerspruch stehen. Diese können nach der Gesetzesänderung nun unwirksam sein, da sie zum Nachteil des Arbeitnehmers von der gesetzlichen Feststellungspflicht abweichen, vgl. § 12 EFZG. Arbeitsverträge von gesetzlich versicherten Arbeitnehmern müssten also hinsichtlich der betrieblichen Anweisungen zum Verhalten bei Arbeitsunfähigkeit angepasst werden und ggf. Regelungen getroffen werden, wenn eAUs früher, als der gesetzlich festgelegte vierte Tag der Arbeitsunfähigkeit abgerufen können werden sollen.5 Die Pflicht zur Feststellung einer entsprechenden AU bereits am ersten Krankheitstag ist also nach wie vor möglich, muss allerdings explizit zwischen den Vertragsparteien , im Arbeitsvertrag, vereinbart werden. Andernfalls tritt an Stelle der nun unwirksamen Klauseln die gesetzliche Regelung des § 5 Ia EFZG.

Arbeitgeber sollten ihre Musterarbeitsverträge dementsprechend diesbezüglich prüfen und gegebenenfalls überarbeiten lassen. Unsere Anwälte für Arbeitsrecht stehen Ihnen dabei gerne mit umfassender Beratung und Unterstützung zur Seite. Kontaktieren Sie uns gerne für ein Beratungsgespräch.


1NZA 2023, 599 (600).
2NZA 2023, 599 (600).
3NZA 2023, 282 (285).
4NZA 2023, 599 (601).
5NZA 2023, 599 (601).

Quellen:
Holler, Daniel - Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – praktisch umgesetzt?, NZA 2023, 599
Janko, Markus/Krüger, Jakob Friedrich - Fragen und Antworten zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Ein (sehr kleiner und verzögerter) Schritt in eine digitale HR-Zukunft, NZA 2023, 282

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